Die Künstlerin Carla Movia an ihrem Arbeitstisch beim Anfertigen eines Schmuckstücks aus Silber.
Italien

Carla Movia

Zwischen Goldschmiede und Recyclingatelier, zwischen filigraner Handarbeit und radikaler Transformation: in Carla Movias Atelier treffen Gegensätze aufeinander – und verschmelzen zu etwas Neuem. Hier entstehen Schmuckstücke aus Edelmetallen und Zucker, aus Silberdraht und recycelten Markern.

Was sie verbindet, ist Carlas Blick auf das Unsichtbare: auf die Geschichten, die Materialien in sich tragen, und auf das Potenzial, das im Übersehenen liegt. Ihre Stücke sind nicht nur Objekte, sondern Kommentare – über Wert, Wandel und den Zauber des Alltäglichen. Immer präzise gefertigt. Immer mit Haltung.

Ausstellungen

2023 - Theatrical Filament: Contemporary Filigree Jewellery, MaS Studio, Shanghai (CN)


2020 - Immagina, National Taiwan Craft Research and Development Institute,Taipei (TW)


2017 - Athens Jewellery Week, Benaki Museum, Athens (GR)


2015 - Schmuck, IHM, Munich (DE)

Awards

2017 - Talente Preis für Gestaltung, IHM, München (DE)

Presse

2024 und 2025 - Vanity Fair Italia
2023 - Il Sole 24 Ore, Italy
2015 - Art Aurea Issue 1-2015

Meet The Artist

In eigenen Worten

Die Juwelierin Carla Movia fertigt in ihrem Atelier einen Ring aus Silber an.

Als vielseitige Kunstdesignerin beherrscht Carla das Silber- und Goldschmiedehandwerk.

Deine Arbeiten reichen von klassischer Gold- und Silberschmiedekunst mit Filigrantechnik bis hin zu auffälligen Zuckerohrringen und futuristischen Ketten aus recycelten Markern. Was verbindet diese sehr unterschiedlichen Stücke?

Meine Arbeit ist eine Reaktion auf meine Umgebung und die Zeit, in der ich lebe. Einerseits sehe ich es als meine Aufgabe, als Gestalterin Techniken zu bewahren, die über Generationen hinweg weiterentwickelt wurden, und sie in unsere Gegenwart zu übersetzen. Meine Forschung zur Filigrantechnik dreht sich nicht darum, bereits Dagewesenes zu kopieren – vielmehr geht es darum, die Technik herauszufordern und sie auf zeitgenössische Weise einzusetzen. In einer Welt, in der man buchstäblich alles auf Knopfdruck herstellen kann, ist es für mich essenziell, alte Techniken weiterzugeben, die Zeit und Können erfordern. Gleichzeitig bewegt mich der Zustand unserer Welt, die voller Abfall und Rückstände ist. Das bringt mich dazu, aus Materialien, die niemand mehr will und die sonst auf Deponien, in Wäldern oder am Strand landen würden, etwas Neues zu schaffen. Ich spüre einen unkontrollierbaren Drang, die Welt zu „retten“, indem ich Abfall sammele – mit dem Ziel, daraus Schmuck zu machen.

Ein Modell trägt einer der bunten Ketten aus recycletend Markern der Schmuckdesignerin Carla Movia

Mit den Ketten aus recycleten Textmarkern macht Carla auf die Endlichkeit von Ressourcen aufmerksam - und wir wir diesem Problem begegnen können.

Du verwandelst Alltagsmaterialien wie Zucker oder Plastik in Objekte, die plötzlich ganz neue Geschichten erzählen. Was fasziniert dich an dieser Transformation – und wie entsteht daraus ein Schmuckstück?

Mein Ansatz zieht sich durch alle Bereiche meines Lebens, Empathie und Wiedergutmachung sind dabei zentrale Begriffe. Ich kann keine Stereotypen ausstehen – wir sind gesellschaftlich darauf programmiert, einige Dinge zu respektieren und andere zu ignorieren, und genau das ist ein riesiges Problem. Als Gestalterin habe ich entschieden, meine Stimme zu nutzen, um etwas zu sagen. Ich finde es notwendig, Themen anzusprechen, die vielleicht Sichtweisen verändern können. Manche sehen in meiner Arbeit nur ein einfaches Recyclingprojekt – dabei geht es mir um viel mehr: Ich möchte zeigen, dass das, was wir gemeinhin als Müll bezeichnen, das Potenzial hat, etwas anderes, Schönes und Begehrenswertes zu werden. Etwas, das sich in Schmuck verwandelt – einem der wertvollsten Objekte, die wir besitzen. Vielleicht lässt sich dieses Prinzip ja auch auf andere Lebensbereiche übertragen.

Der italienische Musiker Fabrizio De André hat einmal geschrieben: Dai diamanti non nasce niente, dal letame nascono i fior. („Aus Diamanten wächst nichts, aus Mist blühen Blumen.“)

Ein Modell trägt ein gelbes Singel-Modell der Zuccherini-Ohrringe der Schmuckdesignerin Carla Movia

Die Zucker-Ohrringe machen aus einem unscheinbaren, alltäglichen Rohstoff ein spektakuläres Statement in Farbe.

Wie beginnst du ein neues Stück? Hast du ein klares Konzept vor Augen oder entwickelt es sich erst durch den Umgang mit dem Material?

Man könnte sagen, ich höre nie auf zu arbeiten – und es gibt keine strikte Trennung zwischen einzelnen Werkgruppen. Ich kehre immer wieder zu bestimmten Themen zurück und suche nach Wegen, sie in physische Objekte zu übersetzen.

Manchmal beginnt alles mit einem bestimmten Material, das mich fasziniert, manchmal mit einem Konzept, einer Idee. Oft trägt das Material selbst schon einen Teil der Geschichte in sich. Ich habe mit vielen verschiedenen Fundstücken gearbeitet – also mit Müll – aber seit vier, fünf Jahren bin ich bei Plastik hängen geblieben.

Der Grund: Es ist schwer zu recyceln, wirkt kalt und abweisend – genau diese Herausforderung reizt mich. Besonders dann, wenn nach vielen Versuchen endlich etwas entsteht, das mich begeistert. Einen genauen Plan habe ich nie – die Dinge entstehen durch das Machen.

Vogelperspektive auf die Gold- und Silberschmiedearbeit von Carla Movia - sie wählt Werkzeuge aus einer kleinen Kiste aus.

Carla arbeitet mit Bedacht: manche Entwürfe liegen lange Zeit im Studio, bevor sich Idee, Material und Technik zum Ganzen fügen.

Und wie viel Intuition steckt in diesem Prozess?

Sehr viel. Das Wichtigste ist, dem Objekt nicht aufzuzwingen, was es werden soll. Am Anfang ist es einfach ein Spiel mit dem Material – ich probiere ungewöhnliche Wege aus, nutze handwerkliche Fähigkeiten, um das Material herauszufordern.

Ich verlange von den Prototypen nicht, dass sie sofort Schmuck sein müssen – zunächst sind es einfach Objekte oder Einzelteile. Erst wenn die Zeit reif ist, zeigt mir das Material, was daraus werden will.

Außerdem recherchiere ich fast nie vorab über ein Material, weil ich mich nicht mit Methoden oder Ideen beeinflussen lassen möchte, die es schon gibt. Manchmal ist die Lösung sofort da, manchmal dauert es Jahre, bis ich zufrieden bin.

Ich setze mir auch keine festen Deadlines – ich möchte nichts veröffentlichen, was ich später bereue. Die Stücke liegen oft wochenlang in meinem Atelier, bevor ich sicher bin, dass sie genau das sind, was ich sagen will – und nicht nur ein Ergebnis aus Frust über gescheiterte Versuche.

Beim Filigree werden feinste Silberdrähte und -kugeln in Kleinstarbeit zu skulpturalen, luftigen Objekten verbunden.

Viele deiner Stücke sagen mehr als nur „Schmuck“ – sie sprechen über Wert, Transformation, vielleicht auch über Vergänglichkeit. Gibt es Themen, die sich durch deine Arbeit ziehen – bewusst oder unbewusst?

Auf jeden Fall. Ich will Schmuck schaffen, der zum Nachdenken anregt. Schmuck nur um der Dekoration Willen interessiert mich nicht. Ich bin überzeugt, dass wir immer etwas ausdrücken, wenn wir Schmuck tragen – ob es nun Persönliches ist, etwas Soziales, Politisches oder Sentimentales. Meine Arbeiten sprechen davon, über die Oberfläche hinauszuschauen. Sie wollen uns helfen, das zu hinterfragen, was wir für selbstverständlich halten – mit dem Ziel, unser Denken zu öffnen für etwas Größeres.

ein Paar Silberohrringe gefertigt mit der Filigreetechnik von der Schmuckdesignerin Carla Movia liegt auf einem Betonkissen

Die Cluster-Form der floralen Ohrringe ist den Zucker-Ohhringen ähnlich. Das Material erzeugt jedoch eine ganz andere Wirkung.

Deine Stücke haben eine starke visuelle Präsenz – und gleichzeitig eine stille Intimität. Welche Art von Dialog möchtest du zwischen Objekt und Träger:in herstellen?

Ich spreche durch Objekte, weil ich nicht in Worte fassen kann, was ich wirklich sagen möchte. Auch wenn ich den Entstehungsprozess gerne teile – sobald die Stücke das Atelier verlassen, sollen sie nicht mehr meine Geschichte erzählen. Ich wünsche mir, dass sie die Geschichte annehmen, die ihre Träger:in ihnen gibt. In dem Moment, in dem sie mein Atelier verlassen, endet meine Erzählung – und es beginnt eine neue, durch die Augen und das Leben der anderen.

Carlas Rat für angehende Künstler:innen: "Mach, was dich selbst begeistert! Kommerzielle Kompromisse lohnen sich nicht."

Noch drei schnelle Fragen

Welchen Rat würdest du aufstrebenden Künstler:innen, Designer:innen oder Kunsthandwerker:innen geben?
→ Mach, was dich selbst begeistert. Wenn du zweifelst, stich lieber heraus, als dich anzupassen. Kompromisse, um zu verkaufen, lohnen sich nicht.

Drei Worte, die dich beim Arbeiten beschreiben?
→ Konzentriert, fokussiert, chaotisch.

Jackson Pollock oder Joan Mitchell?
→ Joan Mitchell.