
Ysaline Ophoff | atelier balancê
Ysaline webt, um Formen zu erkunden: zwischen Linie und Fläche, zwischen Objekt und Raum. Die Techniken stammen aus der traditionellen Korbflechterei, die Sprache ist ihre eigene. Ein Dialog zwischen Hand, Material und Bewegung. Ihre Stücke wirken wie dreidimensionale Zeichnungen – fast grafisch, flüchtig und doch organisch.
Das Handwerk hat sie im brasilianischen Amazonasgebiet gelernt – dort, wo das Wissen ums Flechten und Weben nicht künstlerische Technik, sondern Teil des Alltags ist.
In ihrer eigenen künstlerischen Praxis arbeitet Ysaline mit pflanzlichen Fasern ebenso wie mit recycelten Seilen aus Fischerei und Weinbau – Materialien mit Geschichte, Spuren und ganz eigenen Vorgaben für die Entstehung eines jeden Objekts.
Ausstellungen
'Contra/Tempo', November 2024 – March 2025, Lisbon (PT), curated by Portugal Manual
'Entwining Nature', April 2022 – ongoing, at Cera, Aljezur (PT)
'Tucumã', April 2024, mini-expo at MOMA - Museum of Fashion, Antwerp (BE), curated by Flanders DC
'Coral', display at Het Raam, Ghent (BE), curated by Randwerk
Spring 2026: 'Interwoven', curated by Felipa Almeida and Omarcity
Awards
Henry van de Velde Award: Silver Award in the Crafts category, 2024, Belgium
Presse
Attitude Interior Design magazine, 2023
Plural Magazine, 2024
Homo Faber Guide, 2025
Portugal Manual, online article, 2025
In eigenen Worten
Welche Rolle spielen Intuition und Planung in deiner künstlerischen Praxis?
Mein kreativer Prozess verläuft meistens intuitiv. Ich beginne in der Regel mit einer Idee, einem groben Plan – aber das Endergebnis kann dennoch völlig anders aussehen. Während des langsamen, sich wiederholenden Herstellungsprozesses des Korbflechtens – der sich manchmal wie eine Meditation oder sogar wie eine Trance anfühlt – lasse ich meine Hände das Stück formen und erlaube ihnen, vom ursprünglichen Bild abzuweichen. Sie lassen sich vom Material leiten, von meinen Gedanken, meinen Gefühlen in genau diesem Moment, meiner Stimmung.
Intuition spielt auch eine Rolle bei der Entscheidung, an welchen Projekten ich arbeite, mit wem ich zusammenarbeite oder bei welchen Open Calls ich mich bewerbe. Es gibt rationale Gründe für solche Entscheidungen, aber in den letzten Jahren habe ich gelernt, meiner Intuition mehr zu vertrauen.
Natürlich ist auch Planung notwendig – etwa wenn es um Deadlines geht oder um das Ernten und Trocknen pflanzlicher Fasern, da das nur zu bestimmten Jahreszeiten möglich ist.
Was ist dein Lieblingsmoment im künstlerischen Prozess?
Ich liebe den Moment, wenn mir eine neue Idee kommt und ich richtig begeistert davon bin. Aber mein liebster Schritt ist wahrscheinlich der, wenn ich in diesen meditativen Zustand komme und ohne viel nachzudenken einfach flechte. In solchen Momenten verändert sich die Zeit irgendwie – ich kann nicht sagen, ob sie langsamer oder schneller vergeht, oder ob sie einfach verschwindet.
Bevor du mit dem Flechten begonnen hast, hast du als Architektin gearbeitet. Hat deine theoretische Ausbildung und Berufserfahrung Einfluss auf deine heutige Praxis?
Ganz sicher, auch wenn das schwer zu messen ist. In der Architektur habe ich gelernt, Konzepte, Räume und Formen visuell zu erfassen. Ich habe den Umgang mit Grafikprogrammen gelernt und wie man Projekte präsentiert. Ich denke, die Architektur hat mir geholfen, eine Art Sprache oder ein ästhetisches Gespür zu entwickeln, das ich nun in einem anderen Kontext anwenden kann.
Und wie bist du dann zum Korbflechten gekommen?
Als ich im Architekturbüro gearbeitet habe, saß ich sehr viel am Computer. Ich hatte das Bedürfnis, wieder mehr mit den Händen zu arbeiten, und war neugierig auf Handwerk, auf Haptik und Strukturen. Ich habe mich entschieden, einige Zeit in Brasilien zu verbringen und in das Korbflechten einzutauchen. Am Ende habe ich zehn Monate im Amazonas verbracht und dort mit lokalen Kunsthandwerker:innen verschiedene Techniken gelernt. Durch die Pandemie änderten sich meine Pläne, und das Leben hat mich nach Portugal geführt, wo ich heute lebe. Ich bin dem Korbflechten verfallen und habe angefangen, die Möglichkeiten dieses Handwerks in Portugal in meinem Atelier Balancê zu erkunden.
Portugal hat selbst eine reiche Geschichte an Textil- und Naturfaserflechtkunst. Wie verbindest du verschiedene Einflüsse – und wie übersetzt du sie in deinen ganz eigenen Stil?
Für mich bedeutet das Erlernen einer Flechttechnik auch immer, eine Kultur, das Land und die Menschen, die dort leben, kennenzulernen. Das Korbflechten und das Erschaffen neuer Formen fühlt sich an wie ein Dialog zwischen einer Kultur, ihren Menschen und mir selbst – mit meinen eigenen Erfahrungen. Das Eintauchen in die „Empreita de Palma“, eine traditionelle Korbflechttechnik aus der Algarve, ist zum Beispiel ein Versuch, Teil einer Kultur zu werden, die nicht meine eigene ist – eine stille Bitte um Aufnahme. Mit der Zeit habe ich Wissen und Techniken an verschiedenen Orten gesammelt und werde das weiterhin tun – von Orten, an denen ich lebe, von Menschen, die ich besuche. Und das Verweben dieser Geschichten, dieser Fragmente, dieser Darstellungen und Interpretationen unterschiedlichster Erfahrungen – daraus entstehen meine Stücke.
Du arbeitest mit Naturfasern ebenso wie mit ausrangierten, recycelten Seilen von Fischerbooten oder aus dem Weinbau. Wie unterscheidet sich die Vorbereitung beim Flechten – und wie beeinflusst das Material das Endergebnis?
Pflanzliche Fasern müssen geerntet, getrocknet, eingeweicht oder befeuchtet werden, bevor man damit arbeiten kann. Das Ernten und Trocknen hängt von der Pflanzenart, der Jahreszeit und den Wetterbedingungen ab. Ausrangierte Seile wie Fischereiseile sind weniger saisonabhängig – zumindest manche. Seile aus Weinbergen zum Beispiel werden nur nach der Weinlese entsorgt, also Ende Oktober oder Anfang November. Diese Seile müssen meist entwirrt und gewaschen werden.
Die Formen, die ich kreiere, hängen von den verwendeten Korbflechttechniken ab – und diese wiederum von den Eigenschaften des jeweiligen Materials.
Noch drei schnelle Fragen
Minimalismus oder Maximalismus?
→ Maximalismus!
Für welches "Lebens-Learning" hast du bist jetzt am längsten gebraucht?
→ Meinem Bauchgefühl zu vertrauen.
Was siehst du beim Wort "originell" vor deinem inneren Auge?
→ Ein Werk, das jemanden zum Lächeln bringt.